SV MERKUR 06

Vom doppelten Aufstieg zum Chaos und vom Chaos zur Normalität

Der damals 36-jährige Michael Hiemisch, Trainer der zweiten Mannschaft, übernahm 2006 die „Erste“ in der Bezirksklasse und wurde Nachfolger von André Köhler. Der Plauener musste nach einigen Landesliga-Einsätzen beim 1. FC Rodewisch  verletzungsbedingt die Schuhe an den Nagel  hängen und begann als Übungsleiter –  ambitioniert und extrem ehrgeizig. Zwei Jahre später kam die Firma Bauer ins Spiel. Das Mobilfunkunternehmen aus Ebmath mit fünf Mitarbeitern explodierte förmlich –  war  schnell sehr erfolgreich. Der Vogtland-Anzeiger sprach von einem Wirtschaftswunder und dies sollte auch auf den Sport übertragen werden. Firmenchefin Steffi Bauer hat „die Liebe zum Fußball“ und zum SV Merkur entdeckt, hielt sich aber überwiegend im Hintergrund auf. Ganz anders dagegen ihr Vertriebs- und Marketingleiter René Schindler, der immer mehr Einfluss nahm – bis in den Vorstand – und nach dem Motto agierte, wer das Geld gibt, hat das Sagen.  Ausrüstung, Ausstattung, Türkei-Trainingslager und neue Spieler – nichts schien unmöglich. 2010 folgte der Aufstieg in die Bezirksliga mit einen Punkt Vorsprung auf Schreiersgrün. Ein Jahr später bereits am viertletzten Spieltag nach einem 5:0 bei IFA Chemnitz der nächste.  Der Plan von Schindler ging bis dato voll auf. Hiemisch wuchs mit den Aufgaben, war fleißig und kommunikativ und erarbeitete sich die Anerkennung und den Respekt mit Leistung. Musste er auch, denn die Spieler die er trainierte hatten mitunter Zweitligaerfahrung (Fröhlich, Gorschinek).  Sein Trainertalent war unverkennbar. Der Hauptsponsor schien aber mit seiner Vision noch nicht am Ende und dachte intern schon weiter. Die Ernüchterung kam am 1. Spieltag nach einer 0:2-Pleite in Oelsnitz gegen die SG Leipzig Leutzsch. Eine Woche später dann aber der erste historische Landesliga-Sieg und das erste Tor durch Robert Hofmann. Beim 4:3 in Eilenburg trafen noch Steve Gorschinek, Christian Hirsch und Benjamin Matthes. Bis zum 8. Spieltag am 1. Oktober 2011 gab es noch zwei weitere Siege (2:1 gegen VFC Plauen II und 4:2 gegen Hohenstein-Ernstthal) und Merkur lag sportlich im Soll.  Doch dann kam der große Knall.  Schon vor dem Spiel gegen Neugersdorf (0:1) verkündete Kapitän Steffen Stumpe per Mikrofon den verdutzten Anhängern, dass die Mannschaft in dieser Besetzung nach erneuten Anfeindungen gegenüber dem Hauptsponsor letztmalig aufläuft. „Das alles stimmt mich unheimlich traurig. Wir sind hier nicht mehr erwünscht und stellen unsere Sponsorenleistung zum 3. Oktober ein“, so Steffi Bauer zwei Tage später. Der Hauptsponsor schmiss über Nacht die Brocken hin und im Gefolge der komplette Vorstand. Ebenso Trainer Hiemisch  und sein Co Arne Hirschligau, die beide zwei Monate später in Treuen anheuerten. Über die Gründe wurde danach viel spekuliert. Die zwei Banner im Stadion und vor dem Notariat Hirsch auf dem  Marktplatz, mit denen sogenannte Anhänger oder Neider ihren Unmut gegenüber der Firma Bauer kundtaten, können es eigentlich nicht nur gewesen sein. Die Rede war auch von Sachbeschädigung und Bedrohung. Es herrschte Chaos und der SV Merkur stand  kurz vor der Liquidierung. In einer dringend einberufenen Mitgliederversammlung ging es hoch her. Der Verein musste am Leben gehalten werden, schon allein wegen der vielen Kinder und Jugendlichen. Und das geht nur mit Vorstand.  Notarin Brigitte Hirsch setzte sich als Präsidentin den Hut auf und bildete mit Mirko Arnold, Lutz Hieronimus, Reinhard Günther, Stefan Ikrai und Jürgen Geigenmüller den neuen Vorstand.  Eine Leistung, die im Nachhinein nicht hoch genug zu würdigen  ist.  Ein Rückzug aus der Landesliga, wie vielerorts vermutet, sollte ebenfalls vermieden werden. André Köhler erklärte sich auf jener Sitzung spontan als Trainer bereit ohne jegliche finanzielle Entschädigung bis Saisonende.  Ein Teil der Spieler zeigte ebenfalls  Charakter und hielt die Treue, andere wurden nie wieder gesehen und einige spielten noch bis zur Winterpause.  Köhlers Einstieg war eine 10:0- Klatsche bei RB Leipzig II. Es folgten noch einige wenige Achtungserfolge, aber viele Niederlagen – zum Teil recht deftige. Am 18.6. 2012 war das Kapitel Landesliga beendet, mit einer 1:9-Heimpleite gegen den souveränen Staffelsieger Markranstädt (15 Punkte Vorsprung) und mit 16 Punkten als Tabellenvorletzter (Torverhältnis 24:118).  Die folgende Saison verlief zunächst katastrophal. Zur Winterpause war man in der Bezirksliga abgeschlagen und so gut wie erneut abgestiegen.  Doch dann geschah ein erneutes Wunder.  Nach einer straffen Vorbereitung gelang dem Köhler-Team,  angetrieben von seinem verlängerten Arm und Kapitän Steffen Stumpe, eine überragende Rückrunde. Der Klassenerhalt nach dem 0:0 gegen Stollberg (im Bild) am vorletzten Spieltag wurde genauso gefeiert, wie die Aufstiege zuvor. Die Saison hatte aber Spuren hinterlassen und der Trainer bat den Vorstand von der Entbindung seines Amtes. Sein Co-Trainer Frank Buschner übernahm die Verantwortung, der Abstieg 2014 war aber nicht zu vermeiden. Im Sommer kam Jens Starke.  Der einstige Spieler, Trainer, Sportliche Leiter und Geschäftsführer beim VFC Plauen schien eigentlich eine Nummer zu groß für Merkur. Doch es passte vom ersten Tag an. Nach zwei Jahren folgte der Aufstieg und seitdem hat man sich etabliert in der Landesklasse und ist eine feste Größe. Wenn sich im Sommer nach sechs Jahren die Wege trennen, dann können beide Seiten behaupten, viel besser hätte es nicht laufen können.  Zudem wird der Verein seit  5 Jahren solide und wirtschaftlich erfolgreich  von Präsident Jürgen Geigenmüller geführt. Und hier schließt sich der Kreis. Auch Geigenmüller stieg wie Phönix aus der Asche und entdeckte die „Liebe zum Fußball“, wie einst Steffi Bauer aus Ebmath.

Mit einem kleinen Bericht aus dem Jahr 1993 und dem Wiederaufstieg in die Bezirksliga begann die Serie Historie und mit einem kleinen geht sie nächste Woche weiter. In den letzten 30 Jahren kamen viele Spieler und Persönlichkeiten und wurden verabschiedet, aber nur einer mit einem großen Abschiedsspiel.